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20. November 2017

Die Geburt Trumps aus dem Geist des Marketings


POLITIK GOES MARKENKOMMUNIKATION

Der Begriff „Politikverdrossenheit“ suggeriert, dass die Menschen früher „Spaß“ an Politik hatten. Wahlen waren jedoch immer eher eine moralische Bürgerpflicht. Spaß hatte man bei Fußballübertragungen, die Tagesschau sah man „weil es sich eben so gehört“. Und heute? Heute macht Donald Trump Politik zu Reality TV. Seine Wahlwerbung bedient sich Buzzwords der Produktwerbung, nutzt schmutziges Content Marketing und disruptives Storytelling. Seit Obama ist Social Media auch in der Politik ein zentraler Kommunikationsbaustein. In Deutschland hat die AfD es geschafft, eine Marke in Facebook-Gruppen und Fake News-Foren aufzubauen.

MARKEN ENTWERTEN POLITIK

Ursprünglich war es die Markenwerbung, die sich von der Politikwerbung abschaute, wie man Identifikationsangebote schafft. Produktversprechen wurden zu Sinnversprechen. So wie es die Politik geschafft hatte, Menschen eine Identität als echter Arbeiter und Sozialdemokrat, oder als überzeugter christlicher Bürgerlicher zu geben, so hat Jever irgendwann begonnen, das friesische Lebensgefühl zu verkaufen. Und bei Raffaello geht es nicht um Geschmack, sondern um das Versprechen eines Lebens unter den oberen 10.000 am Infinity-Swimmingpool. Diese Entwicklung hat die Identitätsangebote der Politik entwertet. Wenn schon in jeder Dose Bier Sinn steckt, wofür braucht es dann noch die sozialdemokratische Arbeiteridentität?

LIFESTYLEANGEBOTE STATT GROSSER VISIONEN

Für die Politik hieß es irgendwann „Wer Visionen hat muss zum Arzt“. Politikwerbung ist heute noch nicht das Gleiche wie eine Dose Bier zu verkaufen, aber es wird immer ähnlicher. Wenn im Polit-Kiosk ums Eck kein Lebensgefühl im Angebot ist, dann kauft man das Bier, das am wenigsten stört. Wir wählen Justin Trudeau oder Emmanuel Macron, falls eine dieser schicken, hochpreisigen Premium-Marken im Angebot ist. Wenn es richtig knallen soll, nehmen wir ’nen hochprozentigen Trump, den günstigen Korn aus dem Regal. Falls wir heute noch arbeiten müssen, wird es eher der Convenience-Snack Merkel im Impulsbereich der Kasse. Wer aber glaubt, daran könne man erkennen, dass die Menschen naiver wären, der irrt. Die Medienkritikfähigkeit ist nachweislich höher denn je – BibisBeautyPalace zum Trotz. Politiker wissen damit traditionell umzugehen. Wer nicht dem entspricht, was er darstellt, wird schneller abgewählt, als er fediwgugl sagen kann. Trump ist wirklich Trump, Merkel ist wirklich Merkel und von Guttenberg musste gehen, als die Menschen merkten, dass da irgendwas nicht zusammenpasst.

LASS MAL DIE ARROGANZ, MARKE

Marken tun sich mit dieser Aufrichtigkeit wesentlich schwerer. Dieselskandal, war da was?! Die Automotive-Marken legen mit ihren gigantischen Mediabudgets eine Arroganz an den Tag, wie man sie höchstens noch vom alten Konrad Adenauer kannte. Der „Fit“ zwischen Außendarstellung und Identität lässt sich durch Mediabudget eine Zeit lang einkaufen. Aber in Zeiten so radikalen Wandels wie der Digitalisierung ist bald nur noch derjenige erfolgreich, der Konsumenten, User, Wähler radikal ernst nimmt, auch in deren Kritikfähigkeit. Egal ob Marke oder Politiker.

von Stefan Trabant,
für das Jahrbuch Selection germany`s finest agencies 17/18 www.selection-germany.de

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